Märzfest
Price starting at CHF 25.00
Get ticketsMärzfest
2K88 (PL)
Angry Blackmen (US)
BABii (UK)
Carlo Karacho (DE)
Crystallmess (FR)
CV Vision (DE)
El Kontessa (EG)
Johannes Dullin (DE)
Kiss Facility (AE/IR)
Knarf Rellöm Arkestra (DE)
Kolladderall (CH)
Lily Gasc (CH)
Palme Cadelli (CH)
Rafael Toral (PT)
Selvhenter (DK)
Soukey (CH)
Es ist die Zeit im Jahr, in der sich pastelllilafarbene und hellgelbe Blumen auf den Wiesen zeigen, die ersten warmen Tage alle aus ihren Kabäuschen locken und die Batterien wieder aufgeladen werden. Der Frühling ist ein symbolischer Anfang, der nach den kalten Jahreszeiten die wohlig süssen Sonnenstrahlen ins Haus bittet und unsere Glieder und Gemüter stimuliert. Während die Temperaturen und die Stimmung also steigen, kann dies nichts so ankurbeln, wie das gemeinsame Feiern – zum Anfang und zum musikalischen Reisen durch Regionen, Gefühlsausbrüchen und Kontemplieren. Herein in die Hütte! Wir feiern an den drei Nächten um den Frühlingsanfang gemeinsam mit vielen Bands, Performances und Diskussionen den Aufbruch und schütteln zwischen den Marmorsäulen die herrschende Kälte und Kleingeistigkeit ab.
Märzfest: Donnerstag
Palme Cadelli (CH)
Palme Cadelli kann man unter Palmen oder aber in der Pampa mit dröhnenden Riesenverstärkern hören. Anissa Cadelli und Simone Bernardoni bringen einen kompromisslosen Groove und eine ironisch-witzige Coolness auf die Bühne, die sie bisher beispielsweise an der Kilbi oder in der Waxy Bar mit einem eifrig begeisterten Publikum teilten. Es fühlt sich fast etwas einmalig an, denn ihre Musik ist weder auf den Streamingdiensten noch auf Bandcamp zu finden. Die Recherchearbeit machen sie aber mit Storys ihrer Auftritte wett, auf denen ihr melancholisch-energiereicher Sound neugierig und gespannt macht.
CV Vision (DE)
CV Vision ist ein umtriebiger Musiker und oft auf der Bühne zu sehen, begleitet von Synthesizern, einem Drum-Kit oder einer Band manifestiert er seine Liebe zu Bo Hansson, Claude Larson, Soft Machine oder Picchio dal Pozzo. Nach vier (!) Alben im 2021 kam vor einem Jahr das neue Album «Im Tal der Stutzer» raus, ganz in der Lo-Fi-Ästhetik anzusiedeln. Galoppierende Trommeln, satte Prog-Riffs und poetische Texte erinnern an ein goldenes Zeitalter in der eine wundersame Geschichte erzählt wird. So verheissungsvoll wie bereits der Titel des Albums anmutet, klingt auch dessen Inhalt. Bereits das gleichnamige Intro lässt das eine oder andere Herz hüpfen - so könnte der Soundtrack eines sagenhaften Videospiels klingen. Das Album nimmt einen mit ins Tal der Stutzer und erzählt von den Charakteren «Die frommen Wanderer, Zauberer und die Hex» oder «Der fröhliche Gaukler» und den Orten «Wald Melodei», «In der Schmiede» oder «Im Hühnerstall». Der durch das ganze Album flutende Synthesizer mit ausgedehnten Psych-Inversionen steht in einem guten Kontrast zu diesen bildhaften Songtiteln und versprüht dem Ganzen einen Touch an Retro-Futuristik und kosmischer Mystik und erinnert teils an 60s-West-Coast-Harmonien. Groovige Bassriffs gekoppelt mit stetig starkem Backbeat versetzen einen aber auch immer wieder zurück in die Wirklichkeit und umhüllen die Songs mit einer befreiten Coolness.
Carlo Karacho (DE)
Während Synthlover und Soundtüftler Carlo Karacho uns mit der 808 in «CM Isolation» straight in die Neue Deutsche Welle der 80er Jahre kickt, kommt der Berliner nun etwas minimalistischer daher. Obligat spacey Synthies und noise, ab und zu krautig. Doch wird's auch mal soundscape-ig oder beatlos, bleibt aber konkret. Verzerrt wird die Idealisierung einer Liebe, einer Stadt, die Ernüchterung oder Desillusionisierung besungen. Zeitgemäss ironisch natürlich, keine Angst. Man kann sich auch mal über Opportunist*innen, Stil-Missionar*innen oder Zugezogene nerven. Man gehört ja irgendwie auch zu denen und Lokalpatriotismus ist halt scheisse! Wenn man ehrlich ist, darf's auch mal kitschig werden und auch der Frühling in Berlin zur schönsten Zeit des Jahres. 2023 war Carlo Karacho schon einmal in der Nähe und hat memories generiert. Wer sie nicht nach Berliner*innen-Art gelöscht hat, wird sich an eine energetisch-ballerige Show erinnern. Diesen Frühling kommt Carlo Karacho ins Palace. Wir freuen uns sehr, das wird gross!
Soukey (CH)
Es ist zwar eine nervig abgedroschene Phrase, jungen Menschen immerwieder, wenn sie was Gutes und Erfolgreiches machen, als erstes entgegenzuschmettern: «Krass, du bist ja noch mega jung!! » Aber es ist wahr: Soukey hat für ihre 21 Jahre schon unglaublich viel gemacht und erreicht in der Schweizer Musikszene. Erste Songs geschrieben mit 12, mit 16 beim Cypher aufgetreten, mit 19 den «Demo of the Year»-Award am M4-Music-Festival gewonnen, als Supportact mit Lo&Leduc getourt, mit Artbabe, Z The Freshman, Stereo Luchs und Stress kollaboriert und diverse Auftritte gemeistert nebst Ausbildung, Jobs, und dem allgemeinen Leben. Aber genug der sensationsgierigen Auflistungen und hin zum Wesentlichen: Soukey macht Musik, zu der man tanzen kann und Texte, zu denen man Gänsehaut haben kann, weil sie so echt und direkt sind. Ihre Themen sind Ausgrenzung, mentale Gesundheit und der tägliche Kampf einer jungen, queeren BIPoC. Sie spricht Tabus an, provoziert, öffnet dabei aber auch immer wieder Türen in träumerische Parallelwelten – mit stilsicheren Rap-Zeilen auf ebenso stilsicheren Trap-Beats.
Kolladderall (CH)
Für Subkultur-Suchende gibt es eine geflügelte Phrase zur Orientierung in einer neuen Stadt: Ask a punk! They will know the spots. Und im besten Fall nimmt dich die Person gleich mit und zeigt dir spannende Sachen unterwegs. Nun ist St.Gallen zwar nicht London oder das Westberlin der 80er, es gibt mittlerweile auch das Internet zur Orientierung, wer genau warum als Punk durchgeht, hat sich auch verändert usw.usf. Aber: Spannende Subkultur gibt es hier trotzdem immer wieder. Und zwar nicht zuletzt dank Bands wie Kolladderall. Jade, Noe und Annika liefern den Soundrack zu sämtlichen Gefühlen, die man hier als junger Mensch haben kann: Frustration, Langeweile, Exzessbedürfnis, Wut, Liebe, Sehnsucht. Struggles mit sich selbst und der Welt (oder eben der biederen Kantonshauptstadt), die einen umgibt. Diese transportieren sie in ehrlichen, direkten, manchmal auch mit gehörigen fuck-off-Sarkasmus-versetzten Lines und einem explosiven Gebräu aus Hip Hop, Punk und Hyperpop. Dieses Jahr erschien ihr Album «Chaot*ina», es geht darin noch politisch expliziter zu als bei der Debüt-EP «Kägi Threats». Herzlich hinein zum Moshpit, herzlich hinaus zur melancholischen Gruppenumarmung! And ask a punk to join you.
Märzfest: Freitag
Rafael Toral (PT)
Nach vielen Jahren des Experimentierens mit selbstgebauten elektronischen Geräten kehrt der portugiesische Musiker Rafael Toral zu seiner Gitarre zurück und präsentiert mit dem dreiviertelstündigen Track «Spectral Evolution» ein Ambient-Werk, das von feinfühliger Drone-Musik und stilvollem Vintage-Jazz geprägt ist. Subtile, tiefgreifende Klänge finden sich auf Spectral Evolution, das eigentlich eine zwölfteilige Suite mit unterschiedlichen Teilen ist: Wird das Album in der Mitte gefaltet, trifft jeder Abschnitt auf sein Gegenstück: «Changes» und «Changes Reprise», «Descending» und «Ascending», «First Short Space» und «Second Short Space». Und dazwischen liedartige Formen und Harmoniefolgen, die in dieser cinematischen Struktur aufgehen und wohlig erklingen. Ein Werk, ein Künstler, der von der Presse hochgelobt wird. Pitchfork zum Beispiel meint, mit grossem Referenzaufgebot: «Each new release dissolved a bit more of Brian Eno’s long ambient tones into My Bloody Valentine’s rapturous haze until Toral’s sound faded into the stratosphere.» Well, über dreissig Jahre hat Rafael Toral seine «post-free jazz electronic music» weiterentwickelt und Konventionen herausgefordert – wer mehr über Torals Schaffen erfahren möchte, findet in diesem Artikel auf Bandcamp Daily einen schönen Einblick – und damit dem Ambient- wie auch dem Jazz-Genre einen Bärendienst erwiesen: Toral schafft es beeindruckend akustische Komplexität in eine verständliche Sprache zu übersetzen.
Selvhenter (DK)
Die dänische Hauptstadt ist ein Zentrum für Musiker*innen mit einem radikal ausgefeilten Handwerk für Musik. So zum Beispiel die vierköpfige Noise-Free-Rock-Band Selvhenter, besetehend aus den Schlagzeugerinnen Jaleh Negari und Anja Jacobsen, der Saxophonistin Sonja LaBianca und der Posaunistin Maria Bertel, die seit 14 Jahren ihre radikalen Klangatmosphären und polyrhythmischen Sets auf die Bühne bringen. Das Album «Mesmerizer» ist eine Vermengung aus aufbauenden Arrangements mit langgezogenen Höhepünkten, wie in «Jhaptal», oder aber es ist eine Zerstückelung der Rhythmen («Heftig»), die eine wundervoll borstige Formlosigkeit trägt. Und man weiss, wie es mit solcher Musik live ist: Sie kann eine Physikalität annehmen, die sich auf eine reizend unangenehme Art ins Gehör bohrt.
Kiss Facility (AE/IR)
Ihr Erscheinen auf der Bühne ist ein glänzendes Fest der Fulminanz und ihre Stimme ein einziger Wolkentraum: Kiss Facility heisst das Projekt von Mayah Alkhateri zusammen mit Kreativpartner Salvador Navarrete, den meisten wohl als Sega Bodega bekannt. Alkhateris emiratische und ägyptische Herkunft klingt durch die Musik hindurch und lässt sie Shoegaze mit arabischen Elementen verbinden. Navarretes langjährige Erfahrung als Musikproduzent und sein unerschöpfliches Potenzial zu Arrangements, die er entweder aus dem Ärmel zaubert oder als Abwandlungen von bereits bestehenden Songs neuauflegt, macht aus dem Projekt eine perfekte Symbiose, wie sich zum Beispiel im Coversong «Malket Gamal El Kowan» zeigt. Kiss Facility ist dabei die Verkörperung einer Rückeroberung von Identität, Weiblichkeit und Herkunft und trifft nicht nur zuhause aufgedreht direkt in alle Organe, sondern gerade auch live, wenn dieses sagenhafte Duo die Bühne betritt.
2K88 (PL)
Im polnischen Underground scheint sich Einiges zu bewegen. Inmitten des Flusses steht 2K88, Musikproduzent, Grafikdesigner und Audioregisseur aus Gdynia, der mit Hip-Hop-Klassikern aus den 1990er Jahren aufgewachsen ist und mit diesen Einflüssen einen gänzlich neuen furiosen Sound kreiert. Als PL Sound betiltet kommen darin polnischer Hip Hop und Bass Music aus den UK zusammen, die in dieser Formation die Paranoia und sozialen wie auch urbanen Umstände des post-kommunistischen Polens zum Ausdruck bringen. Während er anfangs mehr gerappt hat und die Nähe zum Hip Hop damit eher gegeben war, hat er sich in der letzten Zeit tiefer in die textlose Sphäre der elektronischen Musik zugewandt – eine Entwicklung, die nachvollziehbarer ist, als man meinen könnte. Ein musikalisches Powerhouse ist 2K88 auch aktiv beim Krakauer Label Unsound, das ein Ableger des gleichnamigen Festivals ist.
El Kontessa (EG, DJ)
Nichts für Purist*innen oder anderweitig all zu gut sortierte Fundis. Aber alles für das horizonterweiternde Miteinander. Fajr Soliman, die in Kairo beheimatete DJ, Produzentin und multidisziplinär arbeitende bildende Künstlerin, schraubt als El Kontessa an den Knöpfen, bis die Melodie mal wie eine durchgeknallte Jahrmarktsorgel tönt. Darüber legt sie orientierungslose Vocals, galoppierende Darbukas und tief fliegende, teils unterirdisch wummernde Synthesizer-Teppiche. Oder da: Ein Jungle Beat zersägt das romantisch-triefende, hunderttausendmal gehörte Piano-Sample. Über diesem klug collagierten und tanzbaren Experiment aus Pop, Mahraganat (oder Shaabi-Electro) und Gqom flirrt immer ein klangliches Destillat ihrer Heimatstadt mit: El Kontessas Musik legt Fährten quer über den Globus und findet immer wieder zurück in die Subkultur Kairos.
Märzfest: Samstag
Johannes Dullin (DE)
Das Problem beim Label «Humor» ist, das sich – zumindest an der Oberfläche – um viele Bühnenformen davon unangenehme Klischees ranken. Hört man Comedy, denkt man schnell an selbstverliebte Gewinnertypen mit vorhersehbaren Punchlines, bei Kabarett an neunmalkluge «Die-da-oben»-Klagen für ein entzückt klatschendes, lehrpersonallastiges Publikum, und spätestens beim Wort Clown ergreifen dann eh die Meisten die Flucht. Sehr schade, denn es gibt sie: die richtig guten, progressivem Clowns unserer Zeit. Johannes Dullin ist einer davon. Wenn nicht sogar DER Ansprechpartner, denn was er live auf der Bühne zeigt, ist in der Schweiz ziemlich unvergleichlich. Seine Comedy ist absurd, albern und überhaupt nicht vorhersehbar. Rauschhaft feiert er den Unsinn und potenziert das Absurde bis ins Unermessliche. Das Publikum lacht und weiss oft gar nicht warum, doch auch die grössten Albernheiten bekommen so eine sonderbar existentielle Kraft. Banales und Tiefes wird wild übereinandergestapelt, bis es irgendwann nahezu psychedelisch wird. Oder anders gesagt: In einer wahnsinnigen, brutalen Welt, in der Wettbewerb und Machtgier völlig bizarre Formen angenommen haben, muss man dem allem in der Kunst auch wahnsinnigen, absurden Nonsense als anarchistischen Gegenspieler entgegensetzen. Das wussten schon die Dadaisten.
Knarf Rellöm Arkestra (DE)
Lily Gasc (CH)
«Glam punk pop révolte» lautet die Devise bei der Lausannerin Lily Gasc. Sie durchzieht sich durch die Musik und die Ästhetik: Mit kilometerhohen rosa Plateauschnürstiefeln, Glitzer und Pompoms an den Nägeln tanzt sie durch einen Lilafilter zu trägen Beats mit blubbernden Synthies. Dabei feiert sie spielerisch-provokativ Girlytum und lässt auch überall da Kitsch zu, wo er nötig und doch angemessen erscheint. Ob laut und hart wie in «LAPUTA» oder seidig-poppig in «H.U.G.O.», Lily Gasc hat eine sprühend ansteckende Art und bewegt zum Tanzen, mit den Füssen in alle Richtungen kicken und die Arme wellenartig in die Luft zu schmeissen.
Angry Blackmen (US)
Alles ist kaputt und die Überlebenden machen Welle. Seit knapp acht Jahren klopft das Industrial- und Noise-Rap-Duo Angry Blackmen aus Chicago mit Wucht auf die verbrannte Erde ihrer Vergangenheit und locken die inneren Dämonen hervor. Von den bösen Geistern berichten sie mit entwaffnender Ehrlichkeit, bevor diese dann – beispielsweise die Alkoholsucht – mit gerapptem Furor festgenagelt werden. Aber es gilt vor allem auch die äusseren Feinde zu bekämpfen, von denen es für marginalisierte Gruppen in den USA in Überfluss gibt – gewaltätige Cops, korrumpierte Wirtschaft, lotteriges Gesundheitssystem, galoppierender Kapitalismus. Quentin Branch und Brian Warren zielen mit ihren apokalyptischen und bleischweren Beats auf den Kopf des Monsters called Rassismus und schlagen mit unermüdlichem, immer leicht verschlepptem Flow in die nachwachsenden Fratzen.
Maria Bertel (DK)
BABii (UK)
Einem beatigen Kitsch ist BABii nicht abgetan: Da sind viele Sparkles und supersweete Vocals, aber auch ziemlich heftige Beats und Bässe. Das ist Cyborg-Electronica mit Hyperpop-Momenten. Auf dem Album Daredeville 2000 featuret sie neben vielen anderen die sehr geschätzten Grove oder Mung Sing (einer Hälfte von Giant Swan). Entstanden ist eine Reise in eine Art Dantes Inferno, das die Ursprünge von Gewalt und Kriminalität sowie die Beziehung zwischen der Hölle und der realen Welt erforscht.
CRYSTALMESS (FR, DJ)
Die Produzentin und Künstlerin Crystalmess spielt auf der grossen Klaviatur der Tanzmusik. So ist sie nicht nur in so ziemlich allen interessanten DJ-Booths der aktuellen Clubs und angesagten Festivals anzutreffen. Christelle Oyiri ist auch Videokünstlerin, Journalistin, Performerin und Autorin. Bei sämtlicher Arbeit hat sie eines im Kern: die Popularisierung von Afrofuturismus und Afrofeminismus. Zwischen Hardcore Trap, Footwork und Afrotrance mixt die Pariserin alles, was Spass macht und Style hat.